Wirtschaft

Bank zeitweise teurer als Apple Das Börsenwunder von Caracas

Die Realwirtschaft in Venezuela ist weitgehend zusammengebrochen.

Die Realwirtschaft in Venezuela ist weitgehend zusammengebrochen.

(Foto: REUTERS)

Während die venezolanische Wirtschaft weitgehend kollabiert ist, boomt in Caracas die Börse. Die Marktkapitalisierung übertrifft sogar die vom Frankfurter Aktienmarkt. Doch das Börsenwunder ist keine Erfolgsgeschichte, sondern ein Krisensymptom.

Nach Monaten blutiger Straßenschlachten und politischer Machtkämpfe droht Venezuela die Staatspleite. Durch Misswirtschaft und den niedrigen Ölpreis fehlen Devisen. Nicht einmal für den ausreichenden Import von Medizin und Lebensmitteln ist genug Geld da. Doch während viele Unternehmen ihre Produktion einstellen mussten und der Handel wegen der akuten Versorgungsengpässe daniederliegt, stellt sich die Situation an der Börse von Caracas ganz anders dar - der Leitindex IBC ist innerhalb eines Jahres etwa um 1500 Prozent gestiegen.

Den Börsenkursen zufolge besitzt Venezuela einige der wertvollsten Firmen der Welt. Mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet 775 Milliarden Dollar überholte die heimische Bank Mercantil Servicios Financieros kurzfristig Apple als teuerster Konzern. Insgesamt befinden sich laut der Finanzagentur Bloomberg unter den 20 wertvollsten Aktiengesellschaften der Welt fünf aus dem Krisenstaat Venezuela. Die gesamte Marktkapitalisierung in Caracas ist demnach höher als die aller an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen.

Möglich sind diese Rekordnotierungen nicht trotz, sondern wegen der Krise in Venezuela. Zum einen versuchen offenbar viele Anleger in dem Land ihr Geld vor der galoppierenden Inflation zu retten, indem sie es an der Börse investieren. Denn Vermögen ins Ausland zu bringen ist einerseits aufgrund strikter Kapitalverkehrskontrollen nur sehr eingeschränkt möglich. Und zum anderem gilt es inzwischen als unmöglich, die venezolanische Währung Bolivar zum offiziellen Kurs in Dollar oder eine andere harte Währung umzutauschen.

Schwarzmarktkurs von 1:15.500

Denn obwohl in Venezuela längst Hyperinflation herrscht, hält die Regierung eisern an einem offiziellen Wechselkurs von etwa zehn Bolivar zu einem Dollar fest. Nur wechseln kann man zu diesem Kurs praktisch nirgends mehr. Selbst in offiziellen Wechselstuben gibt es - in sehr begrenztem Umfang - für einen Dollar knapp 3000 Bolivar. Auf dem Schwarzmarkt sind es sogar 15.500 Bolivar.

Benutzt man also den auf Angebot und Nachfrage beruhenden Schwarzmarktkurs des Bolivar, schrumpft der Wert von Mercantil Sevicios Financieros auf rund eine halbe Milliarde Dollar zusammen - und der des gesamten Aktienmarkts von Caracas auf einen Bruchteil des deutschen. Angesichts der explosiven Mischung einer weitgehend kollabierten Wirtschaft, Hyperinflation und politischer Instabilität raten Experten jedenfalls jedem, der eine andere Möglichkeit hat sein Geld anzulegen, von Investitionen an der Börse von Caracas ab.

Quelle: ntv.de

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