Wirtschaft

Die Schuldenkrise kehrt zurück Le Pen schürt Angst vor Euro-Crash

Umfragen prophezeien Le Pen zwar eine Niederlage in der Stichwahl. Manche Anleger sind dennoch beunruhigt wegen ihrer finanzpolitischen Pläne.

Umfragen prophezeien Le Pen zwar eine Niederlage in der Stichwahl. Manche Anleger sind dennoch beunruhigt wegen ihrer finanzpolitischen Pläne.

(Foto: REUTERS)

Der Aktienmarkt der Euro-Zone notiert in der Nähe des 52-Wochen-Hochs. Doch die Schuldenkrise in der Region schwelt weiter. Sorgen bereiten Investoren nicht nur die Pläne der französischen Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen.

Die Nervosität der Investoren vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich nimmt rapide zu: Die Zinsen für zehnjährige französische Anleihen sind wieder kräftig gestiegen und liegen nun mit fast 80 Basispunkten (0,8 Prozent) deutlich über denjenigen von zehnjährigen Bundesanleihen. Das ist der größte Renditeabstand seit 2012.

Euro / US-Dollar
Euro / US-Dollar 1,08

Nachdem die Umfragewerte von Francois Fillon, dem Präsidentschaftskandidaten der Konservativen, wegen der möglichen Scheinbeschäftigung seiner Frau eingebrochen sind, wächst bei Investoren die Sorge, dass Marine Le Pen, die Chefin des Front National, die Stichwahl am 7. Mai gewinnen könnte. Le Pen führt die Umfragen für die erste Runde der Wahl am 23. April klar an und hat zuletzt um zwei Prozentpunkte zulegen können.

Allerdings sagen die Umfragen unisono vorher, dass Le Pen die Stichwahl verlieren dürfte. Daher sind etliche Investoren zuversichtlich. "Nach der Frankreich-Wahl gibt es große Chancen, dass der Euro stark steigen wird", sagt Alain Bokobza, Anlagestratege bei der Société Générale. Nachdem Meinungsforscher aber beim Brexit-Referendum und beim Sieg von Donald Trump bereits danebenlagen, spekulieren Investoren, dass die Siegchancen von Le Pen wahrscheinlich nicht so schlecht sein können, wie die Umfragen derzeit suggerieren.

Le Pens Pläne beunruhigen Investoren sehr

Sorgen bereitet Investoren, dass Le Pen innerhalb von sechs Monaten nach einem möglichen Wahlsieg ein Referendum über den Austritt aus dem Euro abhalten möchte. In dem Umfeld könnte es zu einem Auseinanderbrechen des Euro kommen, denn ohne Frankreich, zweitgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, dürfte es keinen Euro geben. Kopfzerbrechen bereitet Investoren, dass Le Pen die Unabhängigkeit der Notenbank abschaffen will und sie stattdessen nutzen möchte, um höhere Staatsausgaben zu finanzieren. Dazu hatte sich Bernard Monot, der wichtigste Wirtschaftsberater von Le Pen, bereits im September 2016 mit dem Chef der französischen Notenbank Francois Villeroy de Galhau getroffen und ihm die Pläne eröffnet.  

Die Umstellung auf einen "neuen Franc" würde zudem zu massiven Kursrückschlägen am Anleihenmarkt führen. Da 80 bis 90 Prozent der Anleihen nach französischem Recht ausgegeben worden seien, will Le Pen diese Anleihen zügig auf Franc umstellen, wobei Le Pen eine kräftige Abwertung des Franc gegenüber dem "Rest-Euro" anstrebt. Damit stehen Anleihen im Volumen von rund 1,8 Billionen Euro im Feuer. Für Investoren käme es damit zu massiven Wertverlusten, weil die Anleihenkurse einbrechen würden.

Je näher die Wahl in Frankreich rückt, umso stärker dürften die Zinsen für französische Anleihen steigen, während gleichzeitig der Zinsaufschlag gegenüber deutschen Anleihen deutlich zulegen sollte. De Galhau warnte, dass ein Euro-Austritt wegen der steigenden Zinsen zu zusätzlichen Belastungen von 30 Milliarden Euro pro Jahr führen werde.

Alle Hoffnungen ruhen auf Draghi

Wegen der Vorgänge in Frankreich verlieren etliche Investoren etwa den italienischen Anleihenmarkt aus den Augen, dabei hat sich auch dort die Lage deutlich zugespitzt. So liegen die Zinsen für zehnjährige Anleihen bei 2,2 Prozent, während der Zinsaufschlag gegenüber deutschen Anleihen rund 190 Basispunkte (1,9 Prozentpunkte) beträgt. Zudem belaufen sich die Target-2-Salden, also quasi die Verschuldung gegenüber anderen Euro-Zonen-Ländern, auf minus 364 Milliarden Euro. Das ist die höchste Verschuldung eines Landes gegenüber anderen Ländern in der Euro-Zone. Zum Vergleich: Frankreich hat Verbindlichkeiten in Höhe von rund 35 Milliarden Euro in seinen Target-2-Salden. Insgesamt hat Italien 2,2 Billionen Euro Staatsschulden - das sind herbe 132,7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Draghi hat allerdings betont, dass einzelne Länder bei einem Austritt aus dem Euro die Target-2-Salden begleichen müssten. Draghi rückt in der aufkeimenden Euro-Schuldenkrise damit einmal mehr in den Mittelpunkt. Sein Statement, dass das Anleihenkaufprogramm jederzeit aufgestockt oder verlängert werden könnte, hat die Gemüter bereits beruhigt. Diese Erwartung der Investoren dürfte einen noch deutlich stärkeren Zinsanstieg bei italienischen und französischen Anleihen verhindert haben. Auf dem Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise Mitte 2012 lag der Zinsaufschlag für italienische Anleihen noch bei rund 500 Basispunkten.

Die Gefahr eines weiteren Zinsanstiegs besteht jedoch weiterhin, insbesondere falls die Umfragewerte von Le Pen steigen. Sollte sie die erste Runde der Präsidentschaftswahl deutlicher gewinnen als derzeit erwartet, dürfte die Nervosität der Investoren nicht nur bezüglich des französischen Anleihenmarkts, sondern bezüglich des Marktes der gesamten Euro-Zone stark zunehmen.

Quelle: ntv.de

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