Wirtschaft

VW-Musterprozess um Milliarden Richter macht Klägern wenig Hoffnung

Richter Wiese stellte in Aussicht, dass ein großer Teil der Feststellungsziele abgewiesen werden könnte.

Richter Wiese stellte in Aussicht, dass ein großer Teil der Feststellungsziele abgewiesen werden könnte.

(Foto: dpa)

2008 scheitert die Übernahme Volkswagens durch den vielfach kleineren Sportwagenbauer Porsche. Einher geht dies mit einem mächtigen Ausschlag des VW-Aktienkurses, der etliche Anleger auf dem falschen Fuß erwischt. Die wollen nun Entschädigung.

Im Anleger-Prozess um Milliardenforderungen wegen der geplatzten Übernahme von Volkswagen durch Porsche vor neun Jahren hat der Richter Zweifel an möglichen Schadensersatzansprüchen zu erkennen gegeben. Der Kartellsenat des Oberlandesgerichts Celle erklärte zu Beginn des Musterverfahrens in Hannover, dass er nach vorläufiger Wertung der von den klagenden Hedgefonds und Privatanlegern vorgebrachten Argumente keine Anhaltspunkte für eine bewusste Irreführung der Anleger durch die VW-Mutter Porsche SE sehe.

Daraus folge, dass womöglich "ein großer Teil der Feststellungsziele nicht begründet ist und abgewiesen" werden könne, sagte Richter Matthias Wiese. Zwei Klägeranwälte stellten einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, dem sie mangelnde  Unabhängigkeit vorwefen.

Der auf Musterklagen spezialisierte Rechtsanwalt Andreas Tilp betonte in einer Verhandlungspause, dass es sich um eine vorläufige Auffassung des Gerichts handle, und gab sich kämpferisch. "Es wäre nicht das erste Mal, dass wir einen Senat in zentralen Punkten drehen würden." Er warf der Kammer zudem Mängel im Kapitalmarktrecht vor. "Ich bedaure es, dass hier ein Kartellsenat über kapitalmarktrechtliche Fragen entscheidet, der ersichtlich dazu - jedenfalls partiell - noch nicht in der Lage zu sein scheint."

Richter: Keine Anhaltspunkte für Irreführung

Sollten die Kläger unterliegen, würde sich dies als "Pyrrhussieg" für die Gegenseite erweisen. Denn spätestens nach einem Gang zum Bundesgerichtshof werde sich das OLG Celle erneut mit dem Fall befassen müssen. "Ich gehe allerdings davon aus, dass das ein anderer Senat sein wird", ergänzte Tilp. Die Porsche SE wollte sich nicht äußern.

Anders als erwartet, führte Richter Wiese zu Beginn des Prozesses nicht nur in den Streitfall ein, sondern würdigte bereits ausführlich die von den Klägern vorgebrachten rechtlichen Fragestellungen. Für eine Irreführung der Anleger durch Porsche sehe er keine Anhaltspunkte. Es sei auch nicht zu erkennen, dass Porsche vor neun Jahren seine Absichten bei Volkswagen im Dunkeln gehalten habe, um Anleger zu schädigen.

Hedgefonds hätten Risiko kennen müssen

Die von der VW-Mutter zwischen März und Oktober 2008 veröffentlichten Mitteilungen seien "nicht grob falsch". Die klagenden Investoren, darunter mehrere Hedefonds, hätten sich zudem des Risikos bewusst sein müssen, das sie mit Leerverkäufen eingingen. Der Richter verwies zudem auf Urteile anderer Gerichte, die Schadensersatzforderungen gegen Porsche bereits abgewiesen hatten.

Die Kläger halten Porsche vor, seine wahre Absicht verschleiert und sich an Volkswagen herangeschlichen zu haben, um den sehr viel größeren Wolfsburger Autobauer unter seine Kontrolle zu bringen. Erst mit der Mitteilung am 26. Oktober 2008 sei klar geworden, was die Stuttgarter im Schilde führten.

Damals legte die Porsche SE offen, dass sie sich durch Käufe und Optionsgeschäfte bereits rund 74 Prozent an Volkswagen gesichert hatte. Der Kurs der VW-Aktie sprang danach von 210 Euro auf etwas über 1000 Euro je Anteilschein.

Die Kläger vermuten, dass Porsche die Anteilsquote bewusst zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht hat, um durch den erwarteten Kursanstieg einen Finanzierungsengpass zu überbrücken. Das Unternehmen hat dies bestritten - und das Gericht scheint dem zu folgen: "Porsche hat damit nur die bestehenden Verhältnisse offengelegt", sagte Richter Wiese.

Hedgefonds, die mit Leerverkäufen auf fallende Kurse gesetzt hatten, wurde mit der Mitteilung klar, dass kaum VW-Aktien verfügbar waren. Sie mussten sich extrem teuer eindecken, um ihre Leerverkäufe abzuwickeln, was ihnen hohe Verluste einbrockte. Allein die Kanzlei von Tilp vertritt Anleger, die Schadensersatz von über drei Milliarden Euro fordern. Insgesamt geht es in dem Rechtsstreit um mehr als fünf Milliarden Euro.

Als Musterklägerin hat das Oberlandesgericht die Inkassogesellschaft ARFB bestimmt. Die anderen Kläger sind so genannte Beigeladene, die den Prozess verfolgen. Ziel des Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMug) ist ein Richterspruch, der für alle Kläger bindend ist.

Quelle: ntv.de

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