Wirtschaft

"Teilweise schon Psychoterror" Thyssenkrupp-Aufseher platzt der Kragen

Thyssenkrupp-Chefaufseher Lehner (r.) platzt nach dem Rücktritt von Vorstandschef Hiesinger der Kragen.

Thyssenkrupp-Chefaufseher Lehner (r.) platzt nach dem Rücktritt von Vorstandschef Hiesinger der Kragen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bei Thyssenkrupp brodelt es seit dem Rücktritt von Vorstandschef Hiesinger. Chefaufseher Lehner redet jetzt Klartext und erhebt Vorwürfe gegen einzelne Investoren. In der Nachfolgesuche sieht es derweil nach einer internen Übergangslösung aus.

Nach dem Rücktritt von Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger hat Aufsichtsratschef Ulrich Lehner scharfe Vorwürfe gegen einzelne Investoren erhoben. "Wir sprechen nicht nur in der Hauptversammlung, sondern in vielen Treffen mit unseren Aktionären. Bedauerlicherweise beschreiten einige aber auch andere Wege, die teilweise schon als Psychoterror bezeichnet werden könnten", sagte Lehner in einem vorab veröffentlichten Interview der "Zeit".

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Auf die Frage, was er mit dem Vorwurf des Psychoterrors meine, entgegnete der 72-Jährige: "Unwahrheiten in der Öffentlichkeit zu platzieren, unberechtigte Rücktrittsforderungen bis hin zum Belästigen von Nachbarn und Familienmitgliedern." Es sei auch unangebracht, als Aktionär den Rücktritt des Chefs zu fordern oder zu betreiben.

Einige aktivistische Investoren seien dafür bekannt, dass jene Manager, die sie loswerden wollten, später in psychiatrische Behandlung gemusst hätten. Lehners Worte können als Frontalangriff auf den Großaktionär Cevian und insbesondere auf den US-Hedgefonds Elliott verstanden werden. Sie hatten Hiesingers Kurs heftig kritisiert. Lehner wird bereits länger ein angespanntes Verhältnis zu Cevian nachgesagt. Der schwedische Finanzinvestor hält knapp 18 Prozent an Thyssenkrupp.

Es sei zwar klar, dass es bei Themen wie dem Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel unterschiedliche Meinungen geben könne, sagte Lehner, fügte aber an anderer Stelle hinzu: "Es ist die Pflicht der Aktionäre, sich im Rahmen der üblichen Verfahrensweisen zu verhalten." Eine Firma, die jahrelang von treuen Aktionären begleitet worden sei, sei auf einmal mit einem Minderheitsaktionär konfrontiert, der in die Presse marschiere und sage: 'Wir bringen das Management mal auf Trab.' "Und wenn ich dann höre, dass auf Hauptversammlungen auch Stimmen gekauft werden, dann sind solche Aktionäre für Unternehmen kein Gewinn." Cevian lehnte eine Stellungnahme ab und auch von Elliott war zunächst keine zu erhalten.

Auch die Krupp-Stiftung, die mit 21 Prozent größter Einzelaktionär des Konzerns ist, ging auf Distanz zu den neuen Investoren. "Wir werden den Heuschrecken nicht das Feld überlassen, sonst verraten wir den Auftrag der Stiftung", sagte der Vizechef des Kuratoriums, Reimar Lüst, der "Zeit".

Gegen eine Zerschlagung

Lehner machte zudem deutlich, dass der Mischkonzern mit fast 160.000 Beschäftigten auch künftig eher auf Evolution statt Revolution setzten werde. Eine Zerschlagung des Konzerns mitsamt seiner profitablen Aufzugssparte lehnte er ab. "Es bestehen keinerlei Pläne, uns von unserem besten Geschäft zu trennen. Das widerspräche jeglicher Vernunft."

Derweil strebt der Konzern für die Nachfolge von Hiesinger eine Interimslösung an. So soll Finanzchef Guido Kerkhoff einem Zeitungsbericht zufolge übergangsweise die Führung des Mischkonzerns übernehmen. Kerkhoff solle als Interimschef das Unternehmen stabilisieren, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Unternehmenskreise.

Mit Kerkhoff will sich der Aufsichtsrat demnach Zeit verschaffen, um eine dauerhafte Lösung finden zu können. Es gebe bereits eine Liste von möglichen internen und externen Kandidaten, hieß es weiter. Die Federführung liege bei Aufsichtsratschef Lehner. Thyssenkrupp wollte sich zu dem Bericht nicht äußern.

Kommt ein Ex-Manager zurück?

Hiesinger hatte Ende vergangener Woche überraschend das Handtuch geworfen, wenige Tage nach Abschluss des Stahl-Joint-Ventures mit Tata Steel. Hiesinger war von einigen Investoren zuvor als zu behäbig beim Konzernumbau kritisiert worden. Kerkhoff ist ein langjähriger Weggefährte Hiesingers und hatte die Verhandlungen mit Tata maßgeblich vorangetrieben. Er war 2011 von der Deutschen Telekom zu Thyssenkrupp gewechselt, wenige Monate nachdem Hiesinger das Ruder übernommen hatte.

Thyssenkrupp hatte nach dem Rücktritt Hiesingers mitgeteilt, dass der Mischkonzern zunächst von den übrigen Vorstandskollegen geführt werden soll. Zu dem Triumvirat gehören neben Kerkhoff Personalvorstand Oliver Burkhard und Compliance-Vorstand Donatus Kaufmann.

Die Suche nach einem neuen Vorstandschef dürfte schwer werden, zumal die Interessen im Konzern mit den Finanzinvestoren Cevian und Elliott, der Krupp-Stiftung und den Arbeitnehmervertretern nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Ein Name, der kursiert, ist der des früheren Thyssenkrupp-Managers Stefan Kirsten. Dieser war von 2002 bis 2006 Finanzchef des Konzerns und zuletzt in gleicher Funktion für den Immobilienkonzern Vonovia tätig, den er kürzlich verließ. Credit Suisse bezeichnete Kirsten in einem Marktkommentar als interessante Option, da er als Thyssen-Finanzchef bei Investoren und am Markt einen guten Ruf gehabt habe und derzeit frei sei.

Quelle: ntv.de, mli/rts

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