Wirtschaft

Abgang von Hiesinger Thyssenkrupp rutscht in eine Führungskrise

Thyssenkrupp braucht einen neuen Vorstandschef und eine neue Strategie.

Thyssenkrupp braucht einen neuen Vorstandschef und eine neue Strategie.

(Foto: dpa)

Vorstandschef Hiesinger nimmt seinen Hut, Thyssenkrupp sucht einen Nachfolger. Der steht vor der Aufgabe, die Interessen der verschiedenen Investoren unter einen Hut zu bekommen. Vertreter der Arbeitnehmer befürchten bereits eine Zerschlagung des Konzerns.

Mit dem völlig überraschenden Rücktritt von Vorstandschef Heinrich Hiesinger rutscht der Traditionskonzern Thyssenkrupp mitten im Umbau in eine Führungskrise. Der Aufsichtsrat will über die Bitte Hiesingers entscheiden, sein noch bis 2020 laufendes Mandat aufzulösen. Eine Annahme des Rücktrittsgesuchs gilt als wahrscheinlich. Der 58-Jährige hat Insidern zufolge vom Aufsichtsrat keine geschlossene Rückendeckung mehr.

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Als möglicher Interimschef wird Finanzvorstand Guido Kerkhoff gehandelt, der jedoch maßgeblich den von einigen Investoren kritisierten Kurs Hiesingers vorangetrieben hat. Der Markt feiert den Rücktritt Hiesingers mit einem Kurssprung von zeitweise mehr als vier Prozent.

Hiesinger ist nach Deutsche Bank-Chef John Cryan, Volkswagen-Boss Matthias Müller und Beiersdorf-Chef Stefan Heidenreich der vierte Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns, der in diesem Jahr seinen Hut nehmen muss.

Neue Strategie verzögert sich nun

Investoren wie der Großaktionär Cevian und der wenig zimperliche US-Hedgefonds Elliott hatten von Hiesinger mehr Tempo und Mut beim Konzernumbau gefordert. Sie wollten sich zunächst nicht zur Führungskrise äußern. Die Fondsgesellschaft Union Investment sah in dem Abgang des seit 2011 amtierenden Vorstandschefs einen möglichen Schritt nach vorne. "Nun besteht die Chance, eine neue Strategie zu entwickeln, den Konzernumbau voranzutreiben und damit den Konzern neu auszurichten", sagte Portfoliomanager Ingo Speich der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Nachfolger sollte daher auch eine neue Perspektive einbringen und nicht an der bestehenden Strategie festhalten."

Hiesinger hatte eigentlich in der kommenden Woche eine "geschärfte Strategie" für den Mischkonzern vorstellen wollen, zu dessen Geschäften neben dem Stahl auch der Bau von Aufzügen, Großanlagen, Autoteilen oder U-Booten gehört. "Das Strategie-Update inklusive neuer Finanzziele wird sich nun wahrscheinlich verzögern", schrieben die Experten von Independent Research. Die Suche nach einem neuen Chef werde sich schwierig gestalten. Hiesinger sei es wohl leid gewesen, sich von den verschiedenen Interessen im Konzern, mit Cevian, Elliott, Arbeitnehmern und der Krupp-Stiftung aufreiben zu lassen.

Die Krupp-Stiftung ist mit rund 21 Prozent größter Einzelaktionär des Konzerns und hat zwei Vertreter im Aufsichtsrat. Die Stiftung gilt als verschwiegen und wollte sich nicht zu dem Thema äußern. Dabei hatte Hiesinger wohl auch diese in seinem Abschiedsbrief an die Mitarbeiter gemeint mit den Worten: "Das gemeinsame Verständnis von Vorstand, Aufsichtsrat und wesentlichen Aktionären über die strategische Ausrichtung von Thyssenkrupp war für mich eine wichtige Voraussetzung, um als Vorstandsvorsitzender Thyssenkrupp erfolgreich zu führen."

Furcht vor Zerschlagung des Konzerns

"Die Krupp-Stiftung sollte jetzt Stellung beziehen", forderte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer. Der Rücktritt Hiesingers sei eine schlechte Nachricht. "Man kann jetzt greifen, dass es offenbar größere Diskrepanzen über die Schärfung der Strategie gibt." Der Nachfolger müsse die Fronten im Aufsichtsrat schließen. Eine Zerschlagung des Konzerns, wie von manchen Investoren gefordert, lehnte der Aktionärsschützer ab. "Es macht keinen Sinn, etwa die hochprofitable Aufzugssparte zu verkaufen."

Davor warnten auch die Arbeitnehmervertreter. "Ich sehe die Gefahr, dass der Rest des Konzerns heuschreckenartig zerschlagen wird", sagte Konzernbetriebsratschef Segerath. "Das darf nicht passieren." Hiesinger habe früh die finanzielle Situation des Konzerns erkannt. "Er war der Architekt des Stahl-Joint-Ventures." Gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretern habe Hiesinger bei dem Gemeinschaftsunternehmen mit Tata Steel erreicht, dass dies einer industriellen Logik folgt, Beschäftigung und Standorte sichert und die Stahlproduktion in Deutschland eine Zukunft habe. "Ich hätte mir gewünscht, dass Hiesinger auch die künftige Strategie des Konzerns anpackt."

Während die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Insidern zufolge am vergangenen Wochenende geschlossen für das Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel gestimmt hätten, seien auf der Kapitalseite die Reihen nicht geschlossen gewesen. Cevian-Vertreter Jens Tischendorf sei nicht der einzige gewesen, der die Pläne nicht unterstützt habe. Cevian und Thyssenkrupp hatten sich zu Einzelheiten der Abstimmung nicht äußern wollen.

Quelle: ntv.de, mli/rts

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