Wirtschaft

Eine Milliarde Euro pro Tag Italiener retten ihr Geld ins Ausland

Italienische Euo-Münze: Vielen Bürgern Italiens graut es vor der Schulden-Party der neuen Regierung.

Italienische Euo-Münze: Vielen Bürgern Italiens graut es vor der Schulden-Party der neuen Regierung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die neue eurokritische Regierung in Rom macht offenbar nicht nur Anleger nervös. Bislang unveröffentlichte Zahlen sollen belegen, dass italienische Bürger und Unternehmen beginnen, ihr Kapital in großem Stil über die Grenzen zu schaffen.

Eine instabile Regierung und chronisch klamme Banken: Italien ist eines der größten Sorgenkinder der Eurozone. Derzeit herrscht zwar Erleichterung am italienischen Anleihemarkt. Die zehnjährigen Titel rentierten zuletzt bei 2,81 Prozent nach 3,14 Prozent am Freitag. Ob diese Erleichterung jedoch von Dauer sein wird, ist fraglich.

Bislang unveröffentlichte Zahlen über die Zahlungsströme innerhalb der Eurozone schüren den Verdacht, dass nicht nur die europäischen Nachbarn und die Investoren um die Zukunft Italiens in der Währungsunion bangen. Auch die Italiener selbst hegen offenbar große Zweifel, ob die neue Regierung in Rom das Land in sichere Fahrwasser steuert. Viele treffen deshalb offenbar Vorsorge für schlechtere Zeiten.

Italien-Krise löst Kapitalflucht aus

10-jährige italienische Staatsanleihen
10-jährige italienische Staatsanleihen 95,35

Laut "Süddeutscher Zeitung" transferierten italienische Bürger und Unternehmen in den chaotischen Tagen der Regierungsbildung annähernd eine Milliarde Euro von ihren Konten ins Ausland - und das Tag für Tag.

Aufschluss über solche Kapitalbewegungen in Europa gibt das europäische Zahlungsverkehrssystem Target 2, das auf der Buchführung der nationalen Notenbanken beruht. Es registriert alle Geldströme zwischen den 19 Eurostaaten. Da Deutschland mehr exportiert, als es importiert, gibt es hierzulande seit jeher mehr Forderungen als Verbindlichkeiten. 

Monatliche Auslandspositionen der Deutschen Bundesbank (Quelle: Deutsche Bundesbank)

Monatliche Auslandspositionen der Deutschen Bundesbank (Quelle: Deutsche Bundesbank)

(Foto: Deutsche Bundesbank)

Wie diese steil ansteigen, belegen die Zahlen. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank von Ende Mai sind die Guthaben im Target-2-System massiv auf insgesamt 956 Milliarden Euro angeschwollen. Die Forderungen erreichten damit den höchsten Stand aller Zeiten. Einen Monat zuvor waren es noch rund 50 Milliarden Euro weniger gewesen. Sowohl Gabriel Felbermayr, designierter Präsident des Instituts für Weltwirtschaft, und Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sind sich sicher: Ursache hierfür kann nur ein Kapitalabzug aus Südeuropa sein.

Mit den politischen Turbulenzen, die die Eurozone mit Griechenland oder dem Bankrun in Zypern zu Hochzeiten der Eurokrise erlebt habe, sei diese Kapitalflucht zwar nicht zu vergleichen, schreibt die "Süddeutsche". Es zeige aber, wie angespannt die Lage sei. Außerdem ließen die Zahlen erahnen, was noch passieren könne. Griechenland und Zypern mussten damals vorsorglich strenge Kapitalverkehrskontrollen einführen, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern.

Für den ehemaligen Chef des Ifo-Institus, Hans-Werner Sinn, ist die Billionenforderung Deutschlands inzwischen wertlos. "Eine private Unternehmung müsste eine solche Forderung schon heute abschreiben", sagte er dem "Handelsblatt".

Italiens Wirtschaftsminister schwört Treue

Dass Wirtschaftsminister Giovanni Tria die Märkte jüngst zu beschwichtigen versuchte, verwundert also nicht. Die Zinsen für zehnjährige italienische Staatsanleihen waren zu dem Zeitpunkt auf den höchsten Stand seit vier Jahren gestiegen. Tria versicherte den Anlegern deshalb, die Koalition werde das Wachstum durch Investitionen und Strukturreformen ankurbeln, und nicht durch eine Erhöhung der Schulden.

Auch ein Ausstieg aus dem Euro stehe nicht zur Debatte. Sein Plan ging auf. Die Finanzmärkte beruhigten sich: Anleger griffen bei italienischen Staatsanleihen wieder zu, und die Renditen schwächten sich ab.

Dennoch zeigt die Reaktion der Kapitalmärkte, dass das Bewusstsein für ein Wiederaufflammen der Eurokrise gestiegen ist. Forderungen in einer Größenordnung von einer Billion Euro, wie sie die Bundesbank hat, sind solange unproblematisch, wie Italien Mitglied der Eurozone ist. Anders sieht es aus, wenn die Währungsunion zu bröckeln beginnt. Denn in diesem Fall drohen die deutschen Währungshüter - und damit die deutschen Steuerzahler - auf einem Großteil ihrer Ansprüche sitzen zu bleiben.

Momentan drückt die Europäische Zentralbank die Zinsen noch durch ihre regelmäßigen Aufkäufe von Staatsanleihen der Eurostaaten - Italien inbegriffen. Doch schon am Donnerstag könnte sie andeuten, wann sie die Käufe endgültig beenden will. Offiziell sollen sie noch bis Ende September laufen. Roms Kreditgeber werden die Entscheidung der Währungshüter mit Argusaugen verfolgen.

Quelle: ntv.de

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