Wirtschaft

Magische Zinsmarke erreicht Warum alle auf die drei Prozent starren

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(Foto: REUTERS)

Während sich die Aktienmärkte wieder beruhigen, bleibt die Situation am Zinsmarkt angespannt. In den USA habe die Renditen der zehnjährigen Anleihen die so bedeutende Drei-Prozent-Marke geknackt. Dies könnte Auswirkungen auf uns alle haben.

Geldpolitik ist wie Malerei? Die ehemalige Chefin der US-Notenbank Janet Yellen hat immer wieder beteuert, die Verschärfung der Geldpolitik sei wie das Trocknen von Farbe. Ein solcher Schritt werde keine bedeutenden Verwerfungen in der Realwirtschaft und am Finanzmarkt verursachen. Doch sie irrt sich: Die Zinsen der zehnjährigen US-Staatsanleihen sind inzwischen auf drei Prozent geklettert, und die damit einhergehenden heftigen Schwankungen am Aktienmarkt widerlegen Yellens These. Warum ist der US-Zinsanstieg ein solch enormer Risikofaktor?

Nachdem die Ölpreise zuletzt auf Mehr-Jahres-Hochs geklettert sind, befürchten Investoren, dass dadurch die Inflation kräftig angeheizt wird. In dem Umfeld könnte die US-Notenbank die Leitzinsen möglicherweise stärker anheben als bislang angekündigt. Investoren verlangen nun am Anleihenmarkt eine größere Risikoprämie. Daher treibt die Inflationserwartung auch die Zinsen für zehnjährige US-Anleihen nach oben, die jüngst 3 Prozent erreicht haben. Das ist das höchste Niveau seit Juni 2011 und eine Verdopplung vom Tief der letzten Jahre bei 1,5 Prozent.

Kopfzerbrechen bereitet Investoren vor allem die Dynamik des Anstiegs. Seit Anfang April ging es um 30 Basispunkte (0,3 Prozentpunkte) nach oben - das ist eine kräftige Bewegung, die manchmal nicht einmal während eines gesamten Jahres erreicht wird. Daher setzen Anleger nun vermehrt Zinspapiere ein, sei es zur Absicherung oder zur Spekulation, weshalb diese Produkte bei Brokern wie etwa Flatex oder auf Handelsplattformen wie Gettex zu den am stärksten gehandelten Basiswerten gehören.

Alternativlosigkeit entfällt

Die Bedeutung für Anleger am Finanzmarkt erklärt Anleihen-"König" Jeff Gundlach. Der S&P 500 werde das Jahr mit Verlusten abschließen, "wenn es eine beschleunigte Bewegung über (die Marke von) 3 Prozent gibt." Sein Argument ist, dass der Börse der Treibstoff ausgeht und die Alternativlosigkeit der Aktien bei höheren Zinsen wegfällt. Nachdem die sehr niedrigen Zinsen in den vergangenen Jahren den S&P 500 auf immer neue Rekordhochs getrieben haben, bedeuten steigende Zinsen immer mehr Gegenwind für den Index. Eine Dividendenrendite von 2 Prozent wird weniger attraktiv, wenn die Renditen der Staatsanleihen auf drei Prozent oder mehr steigen.

"Die kurzfristig wahrscheinlich größte Gefahr für die Stabilität der Aktienmärkte ist das jüngste Hochschießen der Zinsen, die nun die kritische Marke testen", schreibt Albert Edwards, Anlagestratege bei der Société Générale. "Der Widerstand bei 3 Prozent ist sehr stark, wenn er aber gebrochen wird, steht großes Ungemach bevor", so der Experte.

Ebenso wie der Finanzmarkt bekommt die Realwirtschaft die steigenden Zinsen zu spüren, vor allem die US-Unternehmen. "Wegen der bislang niedrigen Zinsen haben die Firmen in den vergangenen Jahren sehr viele Schulden gemacht und das Geld über Aktienrückkäufe und Dividenden an die Aktionäre weitergegeben", sagt Mati Greenspan, Senior Market Analyst bei der Social-Trading-Plattform eToro. Daher sind die Schulden der US-Unternehmen in den vergangenen fünf Jahren um 32,5 Prozent auf den Rekord von 14,3 Billionen Dollar nach oben geschossen. Umso mehr leiden die Firmen unter jedem noch so kleinen Zinsanstieg.

Ein Rechenbeispiel: Ein Zinsanstieg um lediglich 100 Basispunkte würde die Zinsbelastungen der Unternehmen um 143 Milliarden Dollar pro Jahr nach oben treiben. Weil viele Unternehmen allerdings länger laufende Kredite haben, würde dieser Effekt wohl erst nach mehreren Jahren vollständig durchschlagen. Dennoch bedeuten steigende Zinsen ein Problem, etwa am Immobilienmarkt.

So haben die US-Hypothekenkredite zuletzt mit 14,75 Billionen Dollar einen neuen Höchstwert erreicht. Bei einem Kredit von 300.000 Dollar bedeutet ein Zinsanstieg um lediglich 100 Basispunkte zusätzliche Zinsbelastungen von 3000 Dollar pro Jahr. Die magische Zinsmarke von drei Prozent weckt daher auch Erinnerungen an das Platzen der Börsen- und Immobilienblase 2008. Die Schwingungen daraus machten bekanntlich nicht am Atlantik halt.

Quelle: ntv.de

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