Wirtschaft

Angst vor der Zukunft? Handel mit Bitcoin-Futures startet

Vorhang auf: Die Bitcoin-Futures kommen!

Vorhang auf: Die Bitcoin-Futures kommen!

(Foto: REUTERS)

Auf diesen Termin fiebern die Krypto-Fans seit langem hin: Am Sonntag gehen die ersten Bitcoin-Futures an den Start. Den Auftakt macht die Chicagoer Derivatebörse CBOE, andere folgen. Doch nicht alle sehen diese Zukunfts-Geschäfte so positiv.

Der Bitcoin zündet die nächste Stufe: Die Cyber-Währung wird offiziell zur Anlageklasse. Am Sonntag startet der Handel mit Bitcoin-Futures an der Chicagoer Derivatebörse CBOE. Gut eine Woche später, am 18. Dezember, zieht die CME - die weltgrößte Börse für Terminkontrakte in Chicago - mit einem Konkurrenzprodukt nach. Und im kommenden Jahr legt die US-Technologiebörse Nasdaq los.

Allein die Aussicht auf die Einführung von Futures hat der virtuellen Währung seit Jahresbeginn ein Kursplus von 1500 Prozent beschert. Experten gehen davon aus, dass sich durch die Futures die Schleusen in den Massenmarkt öffnen und weitere Produkte folgen werden - vor allem Indexfonds (ETFs).

Doch was steckt hinter diesen Zukunftsgeschäften? Mit Terminkontrakten werden etwa Rohstoffe oder Finanzprodukte zu einem vorab festgelegten Preis zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft gehandelt. Die Investoren können damit sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse setzen - und sich so gegen Preisschwankungen absichern. Fluggesellschaften agieren beispielsweise so. Um kalkulieren zu können, vereinbaren sie für Kerosin lange vor dem Liefertermin einen Preis - der gilt auch dann, wenn die Preise auf dem freien Markt gestiegen oder gefallen sind.

Mit Termingeschäften sind also Spekulationen auf Kursentwicklungen möglich - auch auf einen Wertverfall. Grundsätzlich besteht ein Kennzeichen in Bitcoin-Futures darin, dass Investoren auf die Entwicklung des Kurses wetten können, ohne die Internet-Währung halten zu müssen. Damit gelten sie auch als Türöffner für das Engagement institutioneller Anleger, die sich nicht in Bitcoin engagieren dürfen.

Mainstram oder Manie?

Bei aller Begeisterung derjenigen, die auf der Bitcoin-Welle nach oben surfen, sorgt das neue Kapitel, das die US-Derivatebörsen aufschlagen, aber auch für Sorgen. Nicht wenige Beobachter warnen vor einem Platzen einer extremen Spekulationsblase. "Vielleicht handelt es sich wirklich um einen einzigartigen Markt, der immer weiter steigt", sagt John Lothian, Chef der Beratungsfirma John J. Lothian & Co. Es gebe dabei aber weder Netz noch doppelten Boden. Das bedeutet: Man kann auch tief fallen. "Wenn morgen plötzlich alle entscheiden, dass Bitcoin wertlos sind, dann sind sie es auch."

Timo Emden, Deutschland-Chef des Online-Brokers DailyFX, pflichtet bei: "Die förmliche Preisexplosion vernebelt auch dem letzten Anleger endgültig die Sinne." Richard Johnson, Analyst beim Vermögensberater Greenwich Associates und Bitcoin-Halter, äußert sich ebenfalls skeptisch. "Die Dinge entwickeln sich zu schnell."

Auch Kritik von der Europäischen Zentralbank (EZB) bleibt nicht aus: "Ich finde es bedauerlich, dass öffentliche Stellen Finanzinstrumente zulassen, die die Spekulationen auf diese Sachen anheizen, wie zum Beispiel die Futures", sagte EZB-Direktor Yves Mersch, der im sechsköpfigen Führungsteam der Euro-Notenbank sitzt. Der Bitcoin sei keine Währung.

Kopfschmerzen bereiten Börsianern vor allem die hohen Kursausschläge. Auch das vergleichsweise geringe Handelsvolumen von sechs Milliarden Dollar täglich sehen sie kritisch. Es mache den Kurs anfällig für Manipulationen, warnt Kevin Zhou, Mitgründer des auf Krypto-Währungen spezialisierten Fonds Galois. Besonders problematisch werde dies, wenn das Handelsvolumen am Terminmarkt die direkten Käufe und Verkäufe von Bitcoin übersteige.

Das kann schnell passieren. Denn der Wert aller im Umlauf befindlichen Bitcoin beläuft sich gerade einmal auf rund 250 Milliarden Dollar - wahrscheinlich sogar weniger, da ein Teil des geschürften Cybergelds bereits verloren gegangen ist. Zum Vergleich: Die Marktkapitalisierung von Apple ist größer als 850 Milliarden Dollar. Der Bitcoin-Markt ist also extrem eng und damit enorm anfällig für Ausschläge nach oben und nach unten - gerade wenn schon bald institutionelle Investoren wie milliardenschwere Hedgefonds in dem Markt mitmischen können.

Angst vor Lehman 2.0 ...

Am lautesten hatte in den vergangenen Wochen Thomas Peterffy, Chef des Handelshauses Interactive Brokers, einer der größten Derivatehändler, vor den Unwägbarkeiten schlecht konzipierter Terminkontrakte gewarnt.

Der "Neuen Züricher Zeitung" (NZZ) sagte Peterffy: "Leider wollen sie diese Produkte zusammen mit anderen Derivaten abwickeln und abrechnen. Dabei sind in den sogenannten Clearinghäusern viele Broker mit sehr wenig Eigenkapital vertreten. Sollten sich Anleger verspekulieren, weil Bitcoin in kürzester Zeit fast jedes beliebige Preisniveau erreichen kann, könnten sie in Schwierigkeiten geraten und ihre Verpflichtungen gegenüber dem Clearinghaus nicht mehr erfüllen."

Peterffy, einer der reichsten Männer der Welt, glaubt, dass im schlimmsten - wenn auch unwahrscheinlichen Fall - eine ähnliche Kettenreaktion wie im Jahr 2008 aus dem Futures-Markt droht. Der Tag werde kommen, an dem sich der Kurs des Bitcoin-Produkts so stark bewege, dass manche Anleger und Broker in finanzielle Schwierigkeiten gerieten - was zu Verlusten führen könne wie 2008, als Lehman Brothers unterging, sagte Peterffy der NZZ . "Davon betroffen wäre nicht nur Interactive Brokers, sondern auch die anderen Mitglieder des Clearinghauses; auch einige Schweizer Banken." Peterffy empfiehlt Bitcoin-Produkte in einer "rechtlich eigenständigen Einheit abzurechnen".

... oder schöne neue Welt?

Der Broker Thomas Peterffy von Interactive Brokers warnt vor den Unwägbarkeiten schlecht konzipierter Terminkontrakte und tiefer Volatilitäten..

Der Broker Thomas Peterffy von Interactive Brokers warnt vor den Unwägbarkeiten schlecht konzipierter Terminkontrakte und tiefer Volatilitäten..

(Foto: REUTERS)

Peterffys Appell an den Vorsitzenden der Rohstoffregulierungsbehörde in einer ganzseitigen Anzeige im "Wall Street Journal" blieb nicht ungehört, aber folgenlos. Ein Sprecher der US-Derivatebehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) verwies auf ein im US-Magazin "Fortune" veröffentlichtes Informationsblatt. Darin heißt es, dass potenzielle Ausfallrisiko der Futures sei bewertet worden, mögliche Auswirkungen seien nicht signifikant. Ein Insider formulierte es gegenüber Fortune so: Der Bitcoin-Futures-Markt sei zu klein, um ein relevantes Risiko für das Finanzsystem darzustellen.

Auch andere Marktteilnehmer wollen die Sorgen Peterffys nicht gelten lassen: Die Bank of America stellte kürzlich fest, Futures könnten sogar dazu beitragen, die Volatilität von Bitcoin zu dämpfen: "Angesichts der Volatilität der Münzmärkte gebe es vielleicht eine Gruppe von Teilnehmern, die an starken Tagen auf fallende Kurse setzten und umgekehrt; insgesamt könnte dies die Volatilität reduzieren."

Die CFTC hat auf jeden Fall ihre Wendigkeit bewiesen: Im Frühjahr waren ihr die Kursausschläge der Kryptowährung Grund genug, die Pläne für einen Bitcoin-Indexfonds (ETF) abzuschmettern. Möglicherweise ist es zu spät für diese Bremsmanöver. Nachdem die Futures an den Start gegangen sind, dürfte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die ersten ETFs lanciert werden. Dann sind Bitcoin auch für Privatanleger investierbar. Mit der entsprechenden ISIN lassen sich Bitcoin dann beim Direktbroker mit einem Mausklick kaufen und verkaufen. Schöne neue Welt.

Quelle: ntv.de, mit rts

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