Wirtschaft

Anleger meiden Schwellenländer Der Abgabedruck ist noch nicht am Ende

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(Foto: picture alliance/dpa)

In den Schwellenländern sind die Finanzmärkte in diesem Jahr ordentlich unter die Räder gekommen. Es gibt aber auch Lichtblicke.

Die amerikanische Notenbank Fed macht vor allem den Schwellenländern schwer zu schaffen. Dreimal haben die Währungshüter in diesem Jahr bereits die Leitzinsen erhöht. Amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit rentieren schon mit 3,2 Prozent. Während die Wall Street mit dem gestiegenen Zinsniveau bislang gut zurechtkommt, leiden die Finanzmärkte in den Schwellenländern unter kräftigen Mittelabflüssen. Denn wenn sich in "sicheren Häfen" wieder Geld verdienen lässt, schichten Anleger schnell Kapital um und verabschieden sich von risikoreicheren Investments.

US-Staatsanleihen zählen zu den sichersten Investments überhaupt. Zum einen ist der amerikanische Rentenmarkt der mit Abstand größte der Welt. Institutionelle Investoren können kaum einen Bogen um ihn machen. Zum anderen gilt der Dollar selbst als eine der sichersten Währungen überhaupt. Bei Bedarf kann die amerikanische Notenbank Fed nahezu unbegrenzt Geld drucken. Für die USA ist es somit unproblematisch, ihre Schulden zu bedienen. Die Gläubiger erhalten also mit höchster Wahrscheinlichkeit irgendwann ihr Geld zurück. Welchen Außenwert der Dollar bei einer möglichen Geldflut dann hat, steht auf einem anderen Blatt.

Zwar bekommen Investoren in den Schwellenländern in der Regel höhere Risikoprämien, das heißt höhere Renditen geboten. Das hat solange Kapital angezogen, wie es in den USA kaum oder gar keine Zinsen gab. Doch die Zeiten sind erst einmal vorbei.

Weitere Zinssteigerungen möglich

Bei den Umschichtungen von den Emerging Markets in die USA ist noch kein Ende absehbar. Denn es besteht die Erwartung, dass die Fed weiter die Leitzinsen erhöhen wird. Gleichzeitig verkauft die US-Notenbank im größeren Stil Anleihen, was deren Kurse nach unten drückt und umgekehrt die Renditen steigen lässt. Die robuste Konjunktur und der leergefegte Arbeitsmarkt machen zudem ein Anziehen der Inflation wahrscheinlich, was in den Vereinigten Staaten ebenfalls für einen weiteren Anstieg des Zinsniveaus spricht.

Gleichzeitig adressieren die Anleger wieder stärker die Risiken in den Schwellenländern. Dazu zählt vor allem die dortige Verschuldung. Diese ist insbesondere dann problematisch, wenn die Verbindlichkeiten in Dollar bestehen. Denn höhere US-Zinsen lassen den Greenback aufwerten. Das verteuert automatisch die Dollar-Schulden der Emerging Markets in deren heimischen Währungen.

Wenn dann noch Kapital umgeschichtet wird, geraten Devisen wie die türkische Lira oder der argentinische Peso zusätzlich unter Druck, was die Schuldenproblematik in den entsprechenden Ländern weiter verschärft. Das löst wiederum einen Domino-Effekt aus. Wenn die Märkte schlecht laufen, müssen Großinvestoren die Portfolios absichern beziehungsweise die Risiken senken. Zuerst werden meist Positionen verkauft, die ein hohes Risiko tragen. Aktien und Anleihen aus den Schwellenländeraktien stehen meist an erster Stelle.

Unsichere Zeiten

Darüber hinaus bestehen in verschiedenen Ländern politische Risiken. Zu nennen sind unter anderem der Handelsstreit zwischen den USA und China, der unberechenbare Präsident Recep Tayyip Erdoğan in der Türkei, die Konflikte im Nahen Osten oder die mögliche Wahl von Jair Bolsonaro zum neuen Präsidenten in Brasilen, mit dem verglichen Donald Trump wie ein Waisenjunge aussieht.

Vor diesem Hintergrund ist absehbar, dass Investments in Schwellenländern weiter vor unruhigen Zeiten stehen. Investoren sollten ganz genau hinschauen und Regionen, Branchen beziehungsweise Unternehmen auswählen, die unter den genannten Risiken eher weniger leiden. China, Malaysia und Thailand sind als Länder aufgrund ihres positiven Leistungsbilanzsaldos interessant. Diese exportieren mehr Waren und Dienstleistungen als sie importieren.

Der Überschuss belief sich in China im vergangenen Jahr auf 1,5, in Malaysia auf drei und in Thailand sogar auf rund elf Prozent. Ein positiver Leistungsbilanzsaldo senkt die finanzielle Abhängigkeit, da die Verschuldung gegenüber dem Ausland abnimmt.

Südafrika, die Türkei und Argentinien sind dagegen aufgrund politischer Schwierigkeiten und einem negativen Leistungsbilanzsaldo zu meiden. Unklar sieht das Bild derzeit in Brasilien aus. Dort ist der Leistungsbilanzsaldo leicht negativ. Außerdem verspricht die zweite Runde der Präsidentenwahl Ende Oktober Spannung – Schwankungen nach oben oder unten sind wahrscheinlich.

Stefan Eberhardt ist Leiter des Portfoliomanagements der Eberhardt & Cie. Vermögensverwaltung. Außerdem ist der Finanzexperte nebenberuflich als Dozent für Volkswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg tätig.

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Quelle: ntv.de

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