Wirtschaft

Wall Street schlägt Eurozone US-Aktien bleiben aussichtsreich

Das Wirtschaftswachstum in den USA ist höher als in der Alten Welt. Die Bewertung der Unternehmen allerdings auch.

Das Wirtschaftswachstum in den USA ist höher als in der Alten Welt. Die Bewertung der Unternehmen allerdings auch.

(Foto: picture alliance / dpa)

Nun hat es also auch die US-Börsen erwischt: Im Crash-Monat Oktober gaben alle führenden Aktienindizes spürbar nach. Trotzdem sind die Aussichten in den USA deutlich besser als in Europa.

Bei Aktieninvestments müssen sich Anleger derzeit vor allem zwischen den USA und Europa entscheiden. Zur Wahl stehen auf der einen Seite das höhere Wachstum in den Vereinigten Staaten, dafür aber auch höhere Bewertungen und auf der anderen Seite Strukturprobleme in Europa jedoch zu günstigeren Preisen.

US-Aktien überzeugten noch bis in den Herbst hinein mit einem kräftigen Schwung nach oben, Momentum nennen das die Börsianer. Die Indizes bewegten sich auf Rekordniveau. Doch im Oktober korrigierten auch die Wall Street und die Nasdaq spürbar.

In Europa notierten die Aktienkurse schon länger schwächer. Der Euro Stoxx 50 verlor seit Jahresanfang rund acht Prozent. Der deutsche Aktienindex Dax entwickelte sich in diesem Zeitraum sogar noch etwas schlechter. Nun könnte man meinen, das Erholungspotenzial sei aufgrund der höheren Verluste in Europa größer als in den Vereinigten Staaten. Dafür sprächen auch die günstigeren Bewertungen. Gemessen an gängigen Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis sind europäische Aktien tatsächlich preiswerter als amerikanische.

America first

Dennoch dürften US-Aktien europäische Titel auch in den kommenden Monaten outperformen. Zuerst einmal sticht das Argument der Bewertungen nicht, da amerikanische Titel meistens höher bewertet sind als europäische. Was sich zurzeit zeigt, ist also der Normallfall.

Außerdem dürften die Börsianer das Umfeld in den USA schon bald wieder positiver einschätzen. Zuletzt waren es vor allem Inflations- und Zinssorgen, die an der Wall Street die Kurse belasteten. Doch tatsächlich ist in den Vereinigten Staaten die Teuerungsrate von 2,9 Prozent im Sommer auf nur noch 2,3 Prozent im September gefallen. Trotz der Vollbeschäftigung geht in den USA vom Arbeitsmarkt bislang kaum Lohndruck aus. Die Kernrate der Inflation, die die stark schwankenden Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, notiert ohne Wohnkosten sogar nur bei 1,5 Prozent.

Außerdem dürfte die nachlassende Konjunkturdynamik bei der Inflation für Entlastung sorgen. Das Wirtschaftswachstum schwächt sich wahrscheinlich von drei Prozent in diesem Jahr auf 2,7 Prozent im kommenden Jahr ab. Ein wesentlicher Grund ist, dass die positiven Effekte der Steuerreform 2019 nicht mehr so stark wirken - das Gewinnwachstum der Unternehmen flacht ab.

Auch der Handelsstreit mit China kostet in den USA Wirtschaftswachstum. Zwar sind die Auswirkungen hier mit maximal 0,2 Prozent geringer als in der Volksrepublik, weil die Vereinigten Staaten weniger Waren und Dienstleistungen nach China exportieren als umgekehrt. Dennoch belastet der Konflikt auch die US-Wirtschaft etwas.

Schließlich bleibt die Geldpolitik der amerikanischen Notenbank restriktiv. Die Fed wird nach aktuellen Schätzungen die Leitzinsen bis Ende dieses Jahres auf 2,5 Prozent hochschleusen. Ende 2019 könnten sie dann bei drei Prozent stehen. Auch das wirkt inflationshemmend. Gleichzeitig dürfte die Wirtschaft die etwas höheren Leitzeinsen aufgrund ihrer robusten Verfassung gut wegstecken.

Im Februar hatten in den Vereinigten Staaten Zins- und Inflationssorgen schon einmal die Aktienkurse spürbar unter Druck gesetzt. Doch die US-Börsen schalteten im Frühjahr zügig wieder in den Rallymodus. Das könnte sich jetzt wiederholen, wenn sich das Inflationsthema in Luft auflöst.

Europa schwächelt

In der Eurozone dürfte die Wirtschaft dagegen schwächer wachsen als in den USA. Hier fehlen positive Effekte wie die Steuerreform. Eine geringere Dynamik beim Wirtschaftswachstum bedeutet natürlich auch weniger Schub bei den Unternehmensgewinnen, die maßgeblich für die Entwicklung der Aktienkurse verantwortlich sind. Die Ergebnisse für das dritte Quartal haben gezeigt, dass sich die US-Firmen in einer stärkeren Verfassung befinden als die Konkurrenz aus Europa.

Dazu kommt, dass die europäischen Börsen emotionaler reagieren als die US-Märkte. Für die Amerikaner sind belastende Themen wie der Brexit oder ein möglicher Italexit einfach weiter entfernt. Selbst die Auswirkungen eines potenziellen Handelskriegs mit China spielen hier eine geringere Rolle als in Europa. Die USA sind einfach ein riesiger Binnenmarkt, der sich vom Rest der Welt ein gutes Stück weit abkoppeln kann.

Während in Europa Schwächetendenzen zu beobachten sind, strotzen die USA weiterhin vor Kraft. Das gilt nicht zuletzt auch deswegen, weil die Trumpsche "America first"-Politik dazu führt, dass US-Unternehmen Gewinne, die im Ausland lagern, steuerbegünstigt zurück in die Vereinigten Staaten holen. Diese investieren die Firmen ins operative Geschäft oder kaufen eigene Aktien zurück. Auch das spricht dafür, dass die US-Börsen die europäischen Aktienmärkte weiter outperformen werden.

Reinhard Pfingsten arbeitet bei der Bethmann Bank als Chief Investment Officer und ist Mitglied im Management Team des globalen Investment Centers der ABN Amro Gruppe. Der Diplom-Wirtschaftsmathematiker war zuvor bei Hauck & Aufhäuser Privatbankiers tätig. Er startete seine Karriere als Portfoliomanager bei der Allianz AG.

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Quelle: ntv.de

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